Seniorenquartiere und die Stellplätze

Durch die Errichtung großer Funktionsbauten, wie Seniorenheime oder Wohnblöcke für betreutes Wohnen, entsteht unweigerlich ein hohes Verkehrsaufkommen auf engem Raum. Nicht nur die Heerscharen der Mitarbeiter (in Gürzenich wurden 120-150 Arbeitsplätze 2016 in der Presse angekündigt, siehe Zeitungsartikel HIER), auch Besucher des Pflegeheims und die Bewohner von betreuten Wohnungen und Bungalows fahren sicherlich zu einem guten, wenn nicht gar allergrößten Teil mit dem PKW vor.
Zum Konzept der Seniorenquartiere, wie sie von der Gut Köttenich Gruppe betrieben werden, gehört zudem ein nicht zu unterschätzender gewerblicher Anteil. So werden öffentliche Restaurants in Hochglanzbroschüren beworben, gibt es „Essen auf Rädern“ und Catering, an manchen Standorten ambulante Pflegedienste, öffentliche Therapiezentren und Friseursalons oder zusätzlich Intensivpflege. All dies erzeugt abermals einen Mehrverkehr durch Personal und Kunden. Dazu kommen dann noch die anfallenden Wirtschaftsverkehre, etwa für die Versorgung des Pflegeheims, Ärzte und externe Therapeuten.

Nun weiß jeder, dass PKW-Stellplätze, wenn nicht gerade auf der „grünen Wiese“ gebaut wird,  ein rares Gut sind. Oft entstehen die neuen Großbauten, die einen emsigen Betrieb rund um die Uhr und an jedem Tag des Jahres entfalten, in gewachsenen Ortsteilen, in denen bereits die bisherigen Anwohner ihre liebe Not mit den Parkplätzen haben. In Gürzenich, wo Am Wingert, in der Parkstraße, in der Gürzenicher Strasse und am Laverweg ohnehin ein enormer Parkdruck herrscht,  musste sich die Bürgerinitiative in etlichen Gesprächen mit Politik, Verwaltung und Investor für mehr Stellplätze stark machen. Am Ende wurde dem Investor auferlegt, wenigstens 75 Stellplätze auf seinem Gelände zu realisieren. Auch wenn dies auf dem ersten Blick eine große Anzahl zu sein scheint, so relativiert sich dies wieder, wenn man einige Fakten bedenkt, die wir in diesem Artikel vorgestellt haben.

Nun kann man sich aber folgende Grundsatzfragen stellen: Warum bedurfte es in Gürzenich dazu einer Bürgerinitiative? Ist Gürzenich nur ein Einzelfall, und wie wird an anderen Orten mit dieser Problematik umgegangen? Warum erstellen Investoren nicht von sich aus eine angemessene Anzahl Stellplätze? Sehr naiv könnte man denken, dass gerade der Erbauer oder Betreiber einer „sozialen Einrichtung“, wie sie ein Pflegeheim im besten Falle sein sollte, vielleicht sogar von sich aus ein Gehör für die Anliegen und Nöte der Anwohner haben könnte.
Schauen wir dazu über den Tellerrand auf Berichte von Bauvorhaben in zwei anderen Gemeinden.

Fall 1: Heimerzheim.  Im Ortskern von Heimerzheim haben 2015 die gleichen Akteure wie in Gürzenich, Pöhler und Strack, ein Pflegeheim, betreutes Wohnen und ein Praxisgebäude auf den Weg gebracht. Bei einer Info-Veranstaltung kamen 120 interessierte Anwohner, und schon die Überschrift DIESES Zeitungsartikels verrät – Zitat – „Parkplätze sind das größte Problem„.
Und was erklärt ein Vertreter des Investors dazu den Anwohnern? „Die Zahl der Stellplätze sei von den Genehmigungsbehörden abgesegnet, erklärte Doll. Aus Kostengründen sei die Tiefgaragen-Stellplatzzahl begrenzt und auf dem Grundstück sei kein Platz. Allerdings würden wegen des Schichtbetriebs immer nur ein Drittel der Mitarbeiter gleichzeitig im Haus sein. Darüber hinaus seien in der Nähe etwa im Bereich Untere Erft weitere, bislang wenig genutzte Parkplätze.

Kleiner Kommentar dazu: der vorletzte Satz ist sogar eine reine Unwahrheit. Obschon es in einem Pflegeheim einen Drei-Schicht-Betrieb gibt, sind nachts nur wenige Mitarbeiter vor Ort, und tags die meisten. Darüber hinaus gibt es Überschneidungen bei er Schicht-Übergabe, und ein Teil der Mitarbeiter arbeitet auch gar nicht im Schichtbetrieb. Es sind also mitnichten „immer nur ein Drittel … gleichzeitig im Haus„.

Fall 2:  Langerwehe. In DIESEM Zeitungsartikel wird davon berichtet, dass im Ortskern von Langerwehe, diesmal nicht unter Beteiligung der Köttenich Gruppe, ein neues Pflegeheim gebaut werden soll. Und wie ist in Langerwehe die Parksituation? Zitat: „Schon jetzt … ist die Parksituation in der Poststraße angespannt.“ Und hier die Reaktion des Architekten des Investors:  Er „versprach den Ausschussmitgliedern, die Parkplatzsituation noch einmal zu überdenken, betonte aber gleichzeitig, dass er mit den Plätzen in der Tiefgarage (Anmerkung: 13 Stellplätze) schon deutlich über den gesetzlichen Vorgaben liegen würde.

Wir sehen in den Reaktionen der Investoren ein sich wiederholendes Muster. An Stellplätzen wird gespart, vermutlich, weil sie sich nicht rentieren. Stattdessen wird die vorhandene Fläche lieber, so dicht es geht, mit Gebäuden bebaut. Geparkt werden soll vornehmlich auf öffentlichen Straßen und öffentlichen Parkplätzen. Getreu dem Motto: „Gewinne werden privatisiert, Verluste Probleme sozialisiert“.

Interessant ist, sich einmal die Hausbroschüren einiger von Gut Köttenich betriebener Pflegeheime anzusehen (zu finden HIER). Dort gibt es auf der jeweils letzten Seite einen Hinweis für Besucher zu „Parkmöglichkeiten“, und der lautet wie folgt:

  • Aldenhoven: „Auf eigenem Parkplatz vor dem Haus und entlang der Straße ‘An der Bleiche’
  • Alsdorf: „In unmittelbarer Nähe zur Einrichtung ist der ‘Zentralparkplatz’“ (Anmerkung: der Zentralparkplatz ist ein öffentlicher Parkplatz)
  • Bad Münstereifel: „Drei öffentliche Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Einrichtung
  • Düren Holzbendenpark: „Öffentlicher Parkplatz gegenüber dem Haus entlang der Stürtzstraße (Parkplatz P6), Großer Park and Ride-Parkplatz auf dem Annakirmesplatz, 5 Minuten Fußweg (Parkplatz P12)
  • Jülich: „Entlang der Straßen rund um das Haus sind Parkmöglichkeiten. Zusätzlich ist ein öffentlicher Parkplatz an der Kurfürstenstraße, Ecke Breslauer Straße
  • Linnich: „Entlang der Straßen rund um das Haus und auf öffentlichen Parkplätzen an der Rurstraße 5 Minuten entfernt

Dazu kein weiterer Kommentar unsererseits.

Mit Spannung erwarten wir jedenfalls die vermutlich demnächst erscheinende Hausbroschüre zum Seniorenquartier „Am Wingert“. Unserer Auffassung nach darf dort NICHT auf Parkmöglichkeiten in den umliegenden Strassen hingewiesen werden. Denn der Investor hat sich im Durchführungsvertrag mit der Stadt verpflichtet „darauf hinzuwirken, dass ein Ausweichen des ruhenden Verkehrs von Seiten der Nutzer des Quartiers in die umliegenden Wohnstraßen vermieden wird.“ Diese Klausel verstehen wir ganz klar so, dass die Ausweisung der umliegenden Straßen als Parkmöglichkeiten durch den Betreiber nicht statthaft sein kann. Die Stadt Düren fordern wir schon jetzt auf, dagegen rigoros vorzugehen, sollte dieser Fall eintreten. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt – und an dieser Stelle darüber berichten.