Jeder kleine Bauherr, der ein Einfamilienhaus baut, weiß, dass er sich ganz genau an die Vorgaben des Bebauungsplans zu halten hat. Wer hat nicht schon von Freunden Berichte gehört, dass die Bauaufsicht streng durchgreift, wenn die Traufhöhe zu hoch geraten ist oder ein Erker zu weit vorspringt. Dann wird in der Regel der Rückbau verlangt. Und jeder weiß wohl auch, dass Garagen nicht zu Wohnzwecken verwendet werden dürfen.
Nun denken Sie vielleicht, die Vorschriften würden für jeden Bauherren gleich gelten. Weit gefehlt, denn wenn Sie nur groß genug bauen, können Sie es schaffen, dass ein einmal erlassener Bebauungsplan im Nachhinein für Ihre Spezialwünsche angepasst wird. Selbst fundamentale Zahlen, wie die maximal erlaubte bebaubare Fläche (Grundflächenzahl 1) lassen sich nachträglich nach oben schrauben.
Das glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich DIESE Unterlagen im Ratsinformationssystem der Gemeinde Elsdorf an. In Elsdorf an der Ohndorfer Strasse haben die gleichen Akteure, die auch Am Wingert tätig sind, 2016/2017 ebenfalls ein großes Seniorenquartier errichtet. Erst nach mehreren Monaten fiel dem Investor auf, dass er aus 6 eigentlich als Bungalows geplanten Gebäuden ein großflächiges, zusammenhängendes Beatmungshaus für Intensivpatienten machen wollte (siehe HIER). Die zwischen den ex-Bungalows liegenden Garagen wurden flugs zu Wohnfläche umfunktioniert. Kleiner Schönheitsfehler: dadurch vergrößerte sich die beanspruchte Grundflächenzahl 1 von 0,4 (40 %) auf 0,54 (54 %), was eigentlich nach geltendem Bebauungsplan nicht statthaft war. Auch tauchte nun als Dachform das „Flachdach“ auf. Dies war ebenfalls nicht erlaubt. Aber kein Problem für den Investor. Er beantragte eine Ausnahmegenehmigung nach § 31 BauGB und bekam sie auch.
Zitat: „Der Ausschuss für Bau und Planung beschließt, zwei Befreiungen gem. § 31 BauGB wegen 1. Abweichender Dachform und 2. Überschreitung der Grundflächenzahl zu erteilen.“
Das können Sie bei Ihrem nächsten Bauvorhaben ja auch mal probieren….
Warum wir das schreiben? Uns als Anwohner zeigt dieses Exempel, was für einen Investor auch im Nachhinein noch alles möglich ist. Bebauungspläne können geändert und Ausnahmegenehmigungen erwirkt werden. Im Fall Gürzenich ist es auch vorstellbar, dass der zwischen Stadt und Investor geschlossene Durchführungsvertrag nachträglich ergänzt oder geändert wird.
Uns hat jedenfalls das Beispiel Elsdorf den Eindruck vermittelt: je größer ein Investor baut, desto einfacher wird das alles. Too Big To Fail? Oder um es mit Georg Orwell zu sagen: Sind manche gleicher als Gleich?