Über uns

Im Frühjahr 2016 erfuhren wir erstmals davon, dass ein Investor auf dem Grundstück des ehemaligen Sägewerks Am Wingert in Düren Gürzenich eine Seniorenwohnanlage plant. Da das Sägewerk in einem von ein- bis zweigeschossiger Bebauung dominierten Wohngebiet liegt, waren wir der Auffassung, dass auch die Gebäude für die geplante Anlage in dieser Größenordnung errichtet würden, zumal §34 BauGB klar regelt, dass:

„…Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden …“.

Doch mit dieser Annahme lagen wir falsch. Der Investor Raoul Pöhler, Geschäftsführer der eigens für die Umsetzung dieses Projekts gegründeten DüGü GmbH und ebenfalls Geschäftsführer des größten privatwirtschaftlich agierenden Seniorenheim-Betreibers im Umkreis  Dürens, der Gut-Köttenich-Gruppe , die Betreiber der Anlage werden soll, wollte das Baugrundstück weit intensiver nutzen. Er plante vier Stockwerke für das Pflegegebäude – drei Vollgeschosse zuzüglich Staffelgeschoss. Doch das war nicht alles, was uns aufschrecken ließ. Denn es wurden weitere Pläne bekannt, die über das Sägewerksgrundstück  hinausgingen. Eine Optionsplanung zeigte auch die Bebauung  umliegender Gartengrundstücke, die die Seniorenwohnanlage noch weitaus größer werden ließe.

Zu dem Zeitpunkt, da wir erstmals von diesen Plänen hörten, war die Phase der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit bereits fast verstrichen (wer abonniert schon das städtische Amtsblatt?), sodass nur wenige Anwohner die Möglichkeit wahrnahmen, entsprechende Eingaben an die Stadtverwaltung zu schicken. Außerdem erfuhren wir, dass es für die betroffenen Grundstücke (Sägewerk und umliegende Grundstücke) bislang keinen gültigen Bebauungsplan gab.

Die in der folgenden Recherche auftauchenden Details und Planungsunterlagen brachten schließlich die Anwohner dazu, eine Bürgerinitiative, die „BI Am Wingert“ zu gründen, die ihre Anstrengungen bündeln wollte, um das Vorhaben im Sinne der Nachbarn zu begleiten und „im Rahmen zu halten“.

Erst zu diesem Zeitpunkt wurde uns klar, dass wir es bei dem Investor mit einem lokalpolitischen Schwergewicht zu tun hatten. Denn Raoul Pöhler sitzt zeitgleich für die SPD im Kreistag und ist ein Stellvertreter des Dürener Landrats Spelthahn. Für die 80 Plätze des Pflegeheims hatte Pöhler bereits einen Antrag auf Anerkennung der Förderung beim Kreis Düren gestellt (§ 10 Abs. 3 APG DVO NRW), bevor der Pflegebedarfsplan durch den Kreis verbindlich beschlossen wurde. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen war, dass aufgrund der laufenden Pflegebedarfsplanung eine Deckelung der Pflegeplätze wegen festgestellter Überversorgung beschlossen würde, ist reine Spekulation. Fest steht jedoch, dass einige Anwohner genau dies vermuten und dieser Punkt zumindest ein „Geschmäckle“ hat. Dass im gesamten Zeitraum im Dürener Rat eine Ampel-Plus-Koalition unter Führung der SPD die Mehrheit stellt, ist für die Interessen des Investors jedenfalls sicherlich nicht schädlich.

In der folgenden Zeit wurden Nachbarn, deren Gartengrundstücke an das Hauptgelände angrenzen, von Vertretern des Investors mehrfach kontaktiert und befragt, ob Sie Ihre Grundstücke verkaufen würden – und dies in mindestens einem Fall mit unserer Meinung nach mehr als zweifelhaften Methoden.

Die Bürgerinitiative setzte sich daraufhin mit den politischen Entscheidungsträgern und der Stadtverwaltung in Verbindung – ein langer und sehr schwerfälliger Prozess, in dem wir viel über die Abläufe in der Kommunalpolitik lernten.

Auch wenn die BI Am Wingert manche Punkte, wie den politischen Beschluss, auf die Erweiterung der Bebauungsflächen zu verzichten, zusätzliche Parkplätze zu schaffen oder das größte Pflegegebäude um wenige Meter von der Straße abzurücken, als Teilerfolge bewerten könnte, so macht sich jetzt, wenige Tage vor dem Satzungsbeschluss bei uns die Erkenntnis breit, dass wir mehr instrumentalisiert, als wirklich gehört worden sind.

Wie das? Verwaltung und Politik haben uns bis zu einem bestimmten Punkt öffentlich auf die Schulter geklopft und die hohe und konstruktive Qualität unserer Arbeit bei jeder Gelegenheit gelobt. Eine konstruktive Beteiligung der Bürger ist ja auch ein gutes Beispiel für praktisch gelebte Demokratie. Bei einem gemeinsamen Treffen zwischen Vertretern von Verwaltung, Politik, Bürgerinitiative und Investor wurde aber schnell deutlich, dass eine Reduzierung der Bauhöhen für den Investor nicht in Frage kam und die Höhen auch seitens der Verwaltung als akzeptabel eingestuft wurden. Wie unsere Kritik dann umgesetzt wurde zeigt sich am besten darin, dass die Grundfläche des Staffelgeschosses nochmals um rund 50% vergrößert wurde!

Als wir in der Folge zu lästig wurden, immer weitere Fehler monierten und die Abwägungen zu den in der Offenlage eingegangenen Eingaben der Anwohner vor allem in Bezug auf Verkehrsprobleme und Bauhöhen als unausgewogen bezeichneten, wollte man dies und uns nicht mehr anhören. Das führte zu so skurrilen Situationen, dass wir zu einer Ausschusssitzung erst das Rederecht eingeräumt, dann wieder entzogen und nach medialem Druck wieder erteilt bekamen.

Bei der abschließenden Sitzung im Stadtentwicklungsausschuss am 26. September 2017 haben wir darum gebeten, uns zu den von uns vorgebrachten Kritikpunkten, die in der laufenden Sitzung von der Stadtverwaltung erklärt und ausgeräumt werden sollten, nochmals äußern zu dürfen, nachdem die Stadtverwaltung ihre Sicht der Dinge dargelegt hatte – doch das wurde nicht gewährt und das einstimmige Abstimmungsergebnis, dem Stadtrat die Zustimmung zum Bebauungsplan in der vorliegenden Form zu empfehlen, war für uns danach nicht mehr wirklich überraschend.

Diese Seite haben wir eingerichtet, um von unseren Erfahrungen eines eher überschaubaren lokalen Bauvorhabens, den verwaltungstechnischen und politischen Vorgängen und dem Verhalten eines bestens vernetzten Investors zu berichten, einen Prozess, den wir als geradezu exemplarisch für solche Verfahren halten, egal ob sie sich auf kommunaler, auf Landes- oder auf Bundesebene abspielen.

Und wir werden sicherlich den Bauprozess und die Inbetriebnahme der Anlage im Auge halten. Werden  politische Versprechen eingehalten und bleibt der Durchführungsvertrag in der jetzigen Form bestehen? Oder wird hier noch im Sinne des Investors nachverhandelt?  Soweit wir wissen ist beim Durchführungsvertrag die nachträgliche Genehmigung von jetzt ausgeschlossenen Gewerben völlig unproblematisch und bedarf keiner weiteren politischen Zustimmung!

Wo kommt die Politikverdrossenheit her, die sich nicht zuletzt in den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017 ablesen lässt? Vielleicht liegt es ja daran, dass viele Bürger sich nicht mehr ernst- und mitgenommen fühlen; vielleicht an dem unstrittigen Einfluss und der cleveren Vernetzung von Geschäftsleuten, Investoren und Lobbyisten.

Machen Sie sich selbst ein Bild!