Wem gehören die Straßen?

Eine zentrale Forderung der Anwohner war es, dass die ohnehin knappen Stellplätze auf den öffentlichen Straßen den Anwohnern erhalten bleiben, und nicht von den zahlreichen Nutzern des neuen Quartiers besetzt werden. Nun steht natürlich die Frage im Raum, mit welchem Recht die Anwohner so etwas Unverschämtes verlangen? Sind sie höherwertige Menschen, als die Senioren, die bald hier einziehen? Glauben die Alteingesessenen, sie hätten stärkere Rechte, als die Neuankömmlinge? Das kann ja nicht sein, schließlich geht es hier um öffentliche Straßen, auf denen jeder die gleichen Rechte hat!  Aber wie steht es mit dem Investor? Stellt er Straßen und Stellplätze der Öffentlichkeit zur Verfügung? Nein, ganz sicher nicht, aber das muss er doch auch nicht, da sein Gelände rein privat ist. Damit kann er ja tun und lassen, was er will. Oder etwa nicht?

Um dieses Thema ging es, zwar nebensächlich, aber doch auch, bei dem Gespräch mit Vertretern des Investors am 17.01.2017 im Rathaus Düren. Dort wurde uns von Frau Strack, die später einmal Leiterin der Seniorenanlage Am Wingert werden soll (das hat man uns zumindest so gesagt), die Vorhaltung gemacht, die Anwohner würden die demnächst auf dem Gelände wohnenden Senioren wie Bewohner „2. Klasse“ behandeln. Frau Strack monierte, dass die Anwohner den Parkraum auf den öffentlichen Straßen für sich beanspruchen würden, vom Investor aber verlangten, er möge alle benötigten Stellplätze auf seinem Gebiet realisieren. Im Kern haben wir den Vorwurf so verstanden: Die Anwohner besetzen Gemeineigentum und verlangen vom Investor, sein teures und privat finanziertes Gelände für Stellplätze zu opfern. Wie ungerecht doch die Anwohner sind!

Hat Frau Strack etwa recht? Wir meinen, dass Frau Strack wohl ganz einfach nicht die Zusammenhänge kennt, durch wen eigentlich die öffentlichen städtischen Straßen tatsächlich finanziert werden! Nämlich zu so gut wie 100 % von den Besitzern der anliegenden Grundstücke! Fangen wir mit dem Grund und Boden an, auf dem die Straßen verlaufen. Irgendwann war jedes Baugebiet einmal Wiese oder Ackerland, welches die Stadt den Vorbesitzern, oftmals Landwirten, abgekauft hat. Die Stadt hat das Land dann entwickelt, in einzelne Parzellen unterteilt, und an private Bauherren weiter verkauft. Nun ist es aber üblich und auch gerechtfertigt, dass die Stadt beim Ankauf des Bodens einen niedrigeren Preis zahlt, als sie später von den Bauherren verlangt. Über die Differenz werden Zusatzkosten, wie die Bauplanung und auch gerade die Flächen für die späteren Straßen finanziert. Neben dem eigentlichen Landerwerb werden 90 % der Kosten für den Ausbau der Straßen ebenfalls von den Anliegern getragen. Die Straßen bleiben zwar im „Besitz“ der Stadt und damit der Allgemeinheit, wurden aber dennoch von den Anliegern fast in Gänze finanziert. Folgende ketzerische Frage steht hier also im Raum: wer ist eigentlich sozialer? Die Anwohner, welche die von ihnen finanzierten Straßen der Allgemeinheit, auch als Durchgangsstraße und zum Parken, zur Verfügung stellen, oder ein Investor, der Stellplätze und eine private Erschliessungsstraße ausschließlich für die Nutzer seines Gebietes errichtet? Es mag sich abgeschmackt anhören, aber gilt nicht auch für den Investor das Grundgesetz, Art. 14 Abs. 2, „Eigentum verpflichtet“?

Der Gerechtigkeit halber muss man an dieser Stelle anmerken, dass auch das Seniorenquartier nun immerhin Anlieger der öffentlichen Straße Am Wingert wird, und somit tatsächlich „moralische“ Ansprüche auf öffentliche Parkplätze für sich reklamieren kann. Von der reinen Quantität her sind diese Ansprüche aber sehr viel geringer, als es dem Investor vielleicht lieb sein mag. Das Grundstück erstreckt sich knapp 90 m Am Wingert entlang. Auf dieser Strecke können vielleicht, wenn man die Einfahrten der alten und des neuen Anliegers berücksichtigt, 8 PKW am Straßenrand parken. Stellplätze, die sich das Seniorenquartier aber noch mit den Anwohnern auf der anderen Straßenseite teilen müsste, denn am Wingert kann man nur einseitig parken. Also verschwindend gering und nicht mal im Ansatz ausreichend für den eigentlichen Stellplatzbedarf der Anlage.

Für uns gilt daher folgendes Resumé: Wer groß baut, muss auch bereit sein, groß Verkehr aufzunehmen, sowohl fließend wie ruhend, und ebenfalls auf sogenannten „privaten“ Flächen. Hier wird beim fließenden Verkehr sogar ein Poller in die Privatstraße eingebaut, um jeden noch so kleinen Durchgangsverkehr auf dem Gebiet zu verhindern. Wir meinen: wer fundamentale gesellschaftliche Spielregeln nicht einhält, muss sich nicht wundern, wenn er irgendwann außerhalb der sozialen Gemeinschaft steht.