Vorsicht: Asoziale Anwohner Am Wingert

In den Diskussionen mit Politik und Investor hat die Bürgerinitiative den Vorwurf zu spüren bekommen, die Forderungen der Anwohner seien – zumindest in Teilen – vom Grundsatz her asozial. Das Wort „asozial“ wurde zwar nie direkt ausgesprochen, aber doch gab es den immer wiederkehrenden Vorwurf der anderen Seite, dass die Anwohner hier lediglich partikulare Interessen vertreten, die dem übergeordneten Gemeinwohl der Senioren, der Gemeinde Gürzenich und der Stadt Düren entgegen stehen und daher, gelinde gesagt, nicht besonders sozial und in letzter Konsequenz nachrangig wären.

An dieser Stelle möchten wir diesen Gedankengang aufgreifen und  darlegen, dass diese Einstellung, obwohl sie vordergründig naheliegend erscheint,  gesellschaftliche Verwerfungen verursacht und, wäre man anders sozialisiert worden, noch nicht einmal einleuchtend erscheinen würde.
Es ist ja die immer wiederkehrende Idee, dass es vertretbar, ja geradezu geboten sei, einer kleinen Bevölkerungsgruppe gravierende Nachteile aufzubürden, um damit einem großen Bevölkerungsteil (der sich gerne „die Allgemeinheit“ nennt oder nennen lässt) Vorteile zu verschaffen. Als Beispiel für diese, in den Köpfen vieler Menschen fest verankerte Ansicht möchten wir die Ausführungen eines Mitglieds des Bezirksausschusses grob aus dem Gedächtnis wiedergeben, welcher in der Sitzung in Gürzenich am 14.09.2017 anmerkte, mit dem Seniorenquartier sei das ja wie mit den Autobahnen:  Jeder wolle über eine Autobahn fahren, aber keiner möchte sie vor der eigenen Haustüre haben.

Wir jedoch meinen, dass es sich unsere Gesellschaft etwas sehr viel zu leicht macht, Nachteile auf einige wenige abzuwälzen, wenn sie sich davon Vorteile verspricht oder sich Vorteile von den wirklichen Nutznießern (typischerweise Groß-Investoren) vorgaukeln lässt.
Jeder von uns möge sich an die eigene Nase fassen: Solange es uns nicht direkt trifft, überlegen wir alle nur zu gerne, was man anderen zumuten kann. Treffliche Argumente, u. a. in Form von sogenannten „Gutachten“, lassen sich immer finden, und es fällt leicht, mit dem moralischen Zeigefinger auf Minderheiten zu zeigen, die sich gegen Zumutungen von Außen wehren, wenn man selber nicht betroffen ist.
Unser Gegenvorschlag ist: Es sollte die oberste Maxime für jeden von uns sein, sich sehr ernsthaft und ehrlich zu überlegen, was er selber bereit wäre,  sich zuzumuten. Und im Zweifelsfall auch auf einen eigenen Vorteil zu verzichten. Wir sind uns sicher, dass unsere Gesellschaft dann nicht schlechter, sondern besser aufgestellt wäre. Vielleicht mit weniger Großbauten, dafür mit sozialverträglichem Wohnbau, oder, um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, mit weniger Autobahnen, dafür mit mehr ÖPNV.

Welche Konsequenzen müssten die obigen Überlegungen nun konkret in Bezug auf das Seniorenquartier Am Wingert haben?  Wir sind der Meinung, dass man Großbauten, die stark vom Erscheinungsbild gewachsener Wohnviertel abweichen, entweder verträglicher oder tatsächlich woanders errichten sollte, und auch kann! Das Narrativ, es ginge nur in Gürzenich Am Wingert, glauben wir nicht! Sicherlich gäbe es für solch ein Seniorenquartier andere Orte, die sowohl für die Senioren als auch für die Anwohner erfreulicher wären. Unsere Gesellschaft müsste sich nur entschließen, nach ehrlichen Prinzipien zu verfahren, dann wäre das ohne weiteres möglich. Denn eines sollten wir inzwischen gelernt haben: Wege, die uns von den Einflussreichen, die nur in die eigene Tasche wirtschaften, als alternativlos verkauft werden, enden in einer Sackgasse. Eher früher, als später.