Versprechen einfordern

Mit „Versprechen einfordern“ ist es wie mit „Karpfen angeln“. Allzu oft entgleitet der prächtige, aber schlüpfrige Bursche in letzter Sekunde. Nachfolgend ein Schreiben, welches die Bürgerinitiative am 04.10.2017 an vier führende dürener Lokalpolitiker richtete. Da zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen war, dass der Bebauungsplan vom Rat beschlossen wird, haben wir an die Zusagen erinnert, die den Anwohnern gemacht wurden. Wir haben nie eine Antwort darauf bekommen. Ist der Fang etwa bereits ausgebüchst? Doch lesen Sie selbst. Das Schreiben – sowie die nicht vorhandene Antwort – sprechen für sich.

Sehr geehrte Herren,

Sie begleiten den Bebauungsplan Am Wingert nun seit über einem Jahr persönlich, daher erlauben Sie uns bitte diesen Brief, den wir hauptsächlich mit Blick auf die Zukunft formulieren. Leider konnten wir Sie bei der vergangenen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses nicht davon überzeugen, dem Bebauungsplan 6/388 im Hinblick auf neue Argumente nicht zuzustimmen. Wir hätten etliche der von Herrn Steffens vorgebrachten Erklärungen entkräften können, durften aber nicht mehr zu Wort kommen. Es ist sehr bedauerlich, dass im Vorfeld kein Interesse daran bestand, uns die sicherlich bereits vor der Sitzung vorliegenden Gegenargumente zukommen zu lassen und sich damit auf keine Diskussion mehr einzulassen.

Uns selber ist bewusst, dass wir neue, aber sehr wichtige Punkte erst relativ spät vorgebracht haben. Das mag für den verwaltungstechnischen Ablauf des Verfahrens unbequem gewesen sein, aber Sie wissen, dass es daran lag, dass wir relevante Informationen erst sehr spät erhalten haben. Ob dies reiner Zufall war, wagen wir nicht zu beurteilen. Allerdings hat sich bei den Anwohnern die Einsicht verfestigt, dass der normale Bürger im Rahmen des Offenlegungsverfahrens, in welchem wir unsere abschließenden Einwände termingerecht vorgebracht haben, nicht mehr viel erreichen kann.

Wie dem auch sei, nun möchten wir Sie ganz persönlich auf die von Ihnen und von Seiten der Stadt gemachten Zusagen und Versprechungen zu dem Bauvorhaben explizit hinweisen und Sie auffordern, auf deren Umsetzung zu achten. Denn Sie haben nach den Ausführungen der Verwaltung trotz unserer weitreichenden Bedenken ein eindeutiges Urteil gefällt und sind somit auch für die Konsequenzen verantwortlich.

So wurde uns versprochen, dass es KEINE Gewerbe im Seniorenquartier geben wird, außer denen, die im Durchführungsvertrag genannt wurden. In den Abwägungen wurden namentlich u.a. die AKIP, das Therapiezentrum, der separate Pflegedienst, das öffentliche Restaurant und der Friseursalon sowie eine öffentliche E-Tankstelle ausgeschlossen.

Erlauben Sie uns an dieser Stelle bitte eine realistische Portion Skepsis. Noch 2016 wurden diese Aktivitäten vom Investor als wichtige Bestandteile seines Gesamtkonzeptes „Seniorenquartier“ in der Lokalpresse angekündigt. Und nun, wenige Monate später, soll das alles nicht mehr wahr sein. Darüber müssen die Anwohner zumindest sehr staunen.

Ein konkretes Beispiel: 2016 wurde in der Presse darüber berichtet, dass es bereits eine Kooperation mit dem Krankenhaus Düren für die Aufnahme von AKIP-Patienten gibt. Ihren Abwägungen entnehmen wir nun, dass dies möglicherweise gar nicht stimmt – zumindest nicht am Standort in Gürzenich. Wir als Anwohner kennen hier die Faktenlage noch nicht. Aber die Ratsmitglieder, welche dem Aufsichtsrat des Krankenhauses angehören, wissen sicherlich, ob es solche Pläne gibt, oder nicht.

Und bitte fragen Sie sich ernsthaft, was ein Investor mit den politischen Verbindungen eines Herrn Pöhler alles noch nachträglich zu seinen Gunsten beeinflussen kann, wenn seine Gebäude erst einmal stehen. In Elsdorf hat er es geschafft, dass die Grundflächenzahl, die er mit seinen Bungalows überschritten hatte, noch nachträglich erhöht wurde. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass der zwischen Stadt und Investor aufgestellte Durchführungsvertrag jederzeit auch ohne Einfluss der Politik geändert werden kann. Deshalb fordern wir Sie schon jetzt auf, hier zu intervenieren und Ihren Einfluss geltend zu machen, falls die eigentlich untersagten Gewerbe dann doch auftauchen.

Auch haben Sie jede Erweiterung des Seniorenquartiers auf die Nachbargrundstücke mit Ihrem politischen Beschluss ausgeschlossen. Achten Sie darauf, dass dies so bleibt, und haben Sie ein Auge darauf, dass hier niemand an der Politik vorbei nach § 34 BauGB (ohne Beschluss eines neuen Bebauungsplans) bauen wird!

Fordern Sie ein, dass der Vorhabenträger, wie versprochen, zusätzliche Stellplätze bereitstellt, wenn die geplanten nicht ausreichen. In diesem Zusammenhang erinnern wir daran, dass 13 Stellplätze für Kurzzeitparker reserviert werden, dass das Verkehrsgutachten 4 Stellplätze unterschlagen hat (einen für die private E-Tankstelle und drei beim betreuten Wohnen), und dass dank mangelnder Zweckbindung des betreuten Wohnens der Stellplatzschlüssel (9 PKW für 30 Wohnungen) auch rein formal mehr als bedenklich ist. So schreibt Herr Steffens am 31.10.2016 noch selber an den Investor:
„Ergebnis der zwischenzeitlich verwaltungsseitig erfolgten Abstimmung ist es, dass die Wohnungen für das betreute Wohnen als normale Wohnungen anzusehen sind und hier somit wie bei den Bungalows 1 Stellplatz pro Wohnung (+ Besucher) anzusetzen sind.“

Was mag der Grund dafür sein, dass noch nicht einmal eine Zweckbindung für das betreute Wohnen ausgesprochen wurde? Es gibt sogar eine NRW-Verwaltungsvorschrift, die genau eine solche Zweckbindung für Seniorenwohnungen vorsieht. Es mag zwar sein, dass diese Vorschrift zwischenzeitlich nicht mehr zwingend rechtsbindend ist. Dennoch gilt sie immer noch als plausible Grundlage für Verwaltungsentscheidungen und wird in Streitfällen für Gutachten herangezogen.

Beachten Sie ferner bei den künftig anstehenden größeren Bauprojekten Am Wingert (altes Jugendheim, alte Grundschule + Sportplatz), dass der Mehrverkehr über andere Straßen abgewickelt wird. Der Wingert ist auch Schul- und Kindergartenweg!

Wir jedenfalls werden das Vorhaben weiter kritisch begleiten und versuchen, dort wo es möglich ist Einfluss zu nehmen.

Schließen möchten wir mit einem Zitat von Herrn Peter Vogt, Vorsitzendem des Seniorenrats Düren, der die Thematik im BZA Gürzenich am 14.09.17 mit folgenden Worten auf einen bemerkenswerten Punkt gebracht hat: „Man sollte nicht vergessen, dass der Betreiber in erster Linie Wirtschaftsinteressen verfolgt. Und mir persönlich erschließt sich die Notwendigkeit des Staffelgeschosses nicht“.

Mit freundlichem Gruß
Bürgerinitiative Am Wingert