Ausgewogen abgewogen?

Im Rahmen der Offenlage hatten die Anwohner die Möglichkeit, Kritik zu dem Vorhaben als sogenannte Eingabe an die Stadt zu senden. Diese Möglichkeit wurde von vielen direkten Anwohnern genutzt; 52 private Eingaben sind neben den sogenannten TÖB-Eingaben (Träger Öffentlicher Belange) fristgerecht bei der Stadt eingegangen. Mit jeder dieser Eingaben muss sich die Verwaltung auseinandersetzen und diese abwägen. Das komplette Dokument mit Eingaben und Abwägungen finden Sie hier HIER.

Da wir Ihnen nicht zumuten wollen, sämtliche 187 Seiten zu lesen, möchten wir einige Punkte beispielhaft benennen um deutlich zu machen, wie – man muss schon sagen stümperhaft – mit einigen sehr konkreten Kritikpunkten umgegangen wurde:

Mehrere Eingaben (z. B. Seite 167) kritisierten, dass das Pflegegebäude zu hoch im Vergleich zur Umgebungsbebauung würde und sich die Bauweise nicht ins Umfeld einfüge. Der zu dieser Kritik immer wieder verwendete Abwägungs-Textblock lautete „…Die Maßstäblichkeit und Geschossigkeit des Bauvorhabens wurde im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens eingehend erörtert, insbesondere der dreigeschossige Baukörper des Senioren- und Pflegeheims an der Straße Am Wingert. In mehreren Visualisierungen wurde die optische Wirkung dargestellt …“. Am Ende folgte der Satz: „Der Anregung wird nicht gefolgt.“ Verwiesen wird dabei auch auf die Schnittzeichnung im Bebauungsplan. Doch interessanterweise ist diese falsch und auch das ist z. B. in der Eingabe Seite 147 von einem Anwohner moniert worden: „… Und warum fällt scheinbar niemandem auf, dass die Pläne die Gebäudehöhen des Pflegegebäudes für den Investor beschönigen (beispielsweise in Bezug auf das gegenüber dem Pflegeheim Am Wingert liegende Gebäude, das maßstäblich – wenn auch geringfügig – vergrößert dargestellt wurde)?“
Die Verwaltungs-Abwägung dazu lautete: „… Der Einwand ist berechtigt, es handelt sich jedoch nicht um eine verzerrte Darstellung aus Gründen der Begünstigung des Investors. In der Plandarstellung ist der Maßstab nicht korrekt angegeben, sodass die Höhen nicht nachprüfbar sind. Die Plandarstellung wird im Maßstab korrigiert. Der Anregung wird insofern gefolgt.“ Eine erfolgreiche Eingabe also? Mitnichten! Denn erstens ist die Aussage, dass der nicht korrekt angegebene Maßstab (es war bis dahin übrigens gar kein Maßstab angegeben) dazu führt, dass die Höhen nicht nachprüfbar sind, schlicht falsch! Wenn eine Zeichnung vorliegt, auf der ein Maß zu einer Strecke angegeben ist, kann jeder mit mathematischen Grundkenntnissen über das Verhältnis den Maßstab selbst ableiten und durch einfaches Nachmessen jede andere Strecke bemessen. Und wenn man das bei den Unterlagen zum Bebauungsplan macht, stellt man fest, dass die Schnittdarstellung wortwörtlich mit zweierlei Maß erstellt wurde. Das Bestandsgebäude wurde im Verhältnis zur geplanten Bebauung höher dargestellt (und außerdem steht das Bestandsgebäude auf einem niedrigeren Niveau). Wir haben das einmal hier dargestellt:

Interessant ist, was nach dieser Eingabe verändert wurde – und da muss man sich nun wirklich fragen, was das soll: Es wurde eine Maßstabsangabe M 1:250 hinzugefügt. Aus. Nichts weiter. Keine Anpassung der Zeichnungen.

Dass hinter dieser Darstellung eine Absicht steckt, lässt sich zwar nicht beweisen, aber der Architekt des Investors hat diese Zeichnungen im Auftrag mit einem CAD-Programm erstellt. Es handelt sich also mitnichten um eine Kinderzeichnung, bei der die Bewohner des Hauses größer dargestellt werden,  als das Gebäude, neben dem sie stehen …

Zugegeben, ein sehr spezieller Punkt, doch er zeigt exemplarisch, wie ernst Anwohnerkritik genommen wird, denn als Fazit sehen wir, dass im Hinblick auf die  kritisierte Bauhöhe gar nicht abgewogen wurde.

Wir sind sogar davon überzeugt, dass die Pläne bereits zu Beginn des Verfahrens feststanden. Warum? Weil die 80 Pflegeplätze schon 2016 vom Investor beantragt und bereits genehmigt wurden. Zu diesem Genehmigungsverfahren sind bereits konkrete Grundriss-Planzeichnungen einzureichen. Aber dazu später mehr.