Versprochen verbotene Gewerbe

Neben der Gebäudehöhe und -dichte betrachten die Anwohner das zusätzlich entstehende Verkehrsaufkommen mit großer Sorge. Schon heute sind die engen Straßen, die das Seniorenquartier umgeben, dicht befahren und ständig zugeparkt. So wird der Wingert als Ausweichstraße für die Schillingsstraße benutzt, dient seit einigen Jahren den relativ neuen Wohngebieten Am Dürener/Rölsdorfer Weg sowie dem großen AWO Seniorenheim als Zufahrt, und wird von Gürzenichern wie von Auswärtigen benutzt, um die Schule, die Sporthallen oder den Friedhof zu erreichen. Spricht man mit Alteingesessenen, die schon lange hier wohnen und berichten können, wie es „früher“ einmal war, dann wird einem noch bewusster, wie üppig der Verkehr, besonders zu Stoßzeiten, bereits jetzt ist.

Nun ist es zwangsläufig, dass ein großes Seniorenquartier zu einer weiteren Verkehrserhöhung führen wird. Betrachtet man das Pflegeheim, so mag der ein oder andere aus sozialen Gründen für den Mehrverkehr noch Sympathien aufbringen, denn es „gehe schließlich um pflegebedürftige Senioren“, so könnte man denken. Anders sieht es da schon bei den möglichen Gewerbebetrieben für externe Kunden aus, die der Investor in das neue Quartier integrieren könnte.
Moment mal. Gewerbebetriebe? Gewerbebetriebe für externe Kunden in einem Seniorendorf? Wie kommen wir denn darauf?

Dass der Investor genau darüber nachdenkt oder zumindest nachgedacht hat, konnte man 2016 der Presse entnehmen. Z. B. HIER:  Das Seniorenquartier bestehe u. a. aus “ … einer Intensiv-Pflegestation, einem Therapiezentrum und einer Gastronomie mit barrierefreiem Veranstaltungsraum, die öffentlich zugänglich ist und auch für Familienfeiern oder Vereinstreffen genutzt werden kann.“ Zudem solle es „Essen auf Rädern und einen ambulanten Pflegedienst“ geben.

Neben den Informationen aus der Presse kann man sich auch direkt beim Betreiber, Gut Köttenich, ansehen, was er in vergleichbaren Anlagen alles anbietet. So werden die hauseingenen, öffentlichen Restaurants auf Hochglanzbroschüren oder auf Facebook beworben und man erfährt, dass sie für Familienfeste und Tagungen zur Verfügung stehen, mit Spezialitätenabenden locken und neben „Essen auf Rädern“ oftmals auch Catering-Service anbieten. Ebenso berichten viele Hausbroschüren von für jedermann zugänglichen Friseursalons, und an mindestens einem Standort (Update Juni 2018: inzwischen an zwei Standorten: Alsdorf und Elsdorf) gibt es ein öffentliches Therapiezentrum, welches von der Firma Kreutzer betrieben wird.

Nun mag man zu all‘ diesen Aktivitäten stehen, wie man will, man kann sie gut heißen, oder auch nicht. Aber FALLS der Investor (oder der Betreiber) das ein oder andere der oben genannten Gewerbe Am Wingert realisieren will, so müsste es wenigstens im Verkehrsgutachten berücksichtigt werden, oder? Ein Restaurant benötigt nun mal viele Stellplätze, genauso wie ein Therapiezentrum. Nun tauchen aber im Verkehrsgutachten KEIN Restaurantbetrieb, KEINE Intensivpflege (AKIP), KEIN Therapiezentrum, KEIN Pflegedienst, KEINE öffentliche Fußpflege und Friseur, KEIN Catering, KEINE öffentliche E-Tankstell auf. Und „Essen auf Rädern“ Fahrzeuge werden auch nicht bei den Stellplätzen berücksichtigt.

Auf diesen Sachverhalt haben viele Anwohner in ihren Eingaben zur öffentlichen Beteiligung hingewiesen. Aber – Überraschung – diese Gewerbe soll es am Standort Gürzenich, entgegen den Verlautbarungen in der Presse, gar nicht geben! Hier ein paar Stellungnahmen aus den Abwägungen der Verwaltung dazu:

  • AKIP ist im gesamten Vorhaben nicht vorgesehen.
  • Es ist kein eigenständiger Restaurant.-, Gastronomie oder Veranstaltungsbetrieb geplant.
  • Es ist kein Therapiezentrum geplant.
  • Ein separater ambulanter Pflegedienst ist nicht geplant.
  • Bei der angedachten E-Tankstelle handelt es sich um eine Ladestation für ein einzelnes Fahrzeug aus dem Fuhrpark des Unternehmens, der nicht für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht.
  • Diese Nutzungen (Anmerkung: Kurzzeitpflege, Tagespflege, Friseursalon und Fußpflege, Ärztehaus und Apotheke) sind nicht vorgesehen.

Nun können die Anwohner nur hoffen, dass diese Versprechen auch eingehalten werden. Zu dumm, dass die Abwägungen keinen rechtlich bindenden Charakter haben. Ein Anwohner hatte in seinen Bürgereingaben gefordert, dass die nicht vorgesehenen Gewerbe namentlich im vorhabenbezogenen Bebauungsplan ausgeschlossen werden. Dies hätte zu einer höheren Rechtssicherheit geführt, wurde aber – wie könnte es anders sein – abgelehnt.
Politik und Verwaltung ziehen sich statt dessen auf den Standpunkt zurück, dass sowieso nur die Gewerbe erlaubt seien, welche im Durchführungsvertrag § V 1 aufgeführt sind. Und dort taucht eben kein Restaurant, Therapiezentrum, Essen auf Rädern, … auf. Wir hoffen, dass dieses Versprechen auch in der Praxis Anwendung findet, und dem Investor nicht noch im Nachhinein das ein oder andere Gewerbe genehmigt wird, bzw. dass die Stadt nicht einfach verbotene Gewerbe duldet. Eine gewisse Portion realistische Skepsis halten wir für angebracht. Merkwürdig nämlich, dass Gut Köttenich bereits heute in dieser Broschüre auf Seite 13 sowohl Restaurant, Kurzzeitpflege, Essen auf Rädern und Catering am Standort Wingert bewirbt. Wird der Durchführungsvertrag etwa schon im Vorfeld nicht ernst genommen und die Anwohner veräppelt? Wir jedenfalls werden die zukünftige Entwicklung kritisch im Auge behalten und gegensteuern, sollten die den Anwohner gemachten Versprechungen nicht eingehalten werden.