Wir legen Zeugnis ab

Bei dem Treiben, welches sich um die Aufstellung eines umstrittenen Bebauungsplans rankt, haben alle Beteiligten ihre ureigensten Zwänge zu bewältigen. Da ist die Verwaltung, die sich im Spannungsfeld Politik, Investor und Bürger befindet, die Politik, denen es um die „großen Zusammenhänge“, die eigene Partei und die Gunst des Wählers geht, die Lokalpresse, welche ihre Leser nicht vergraulen und den guten Kontakt zur Politik nicht verlieren möchte, und der Investor, der an sein „Return of Invest“ zu denken hat. Dass so mancher Investor auch noch Politiker ist, und so mancher Politiker auch noch privatwirtschaftliche Interessen verfolgt, gerade in der Baubranche, macht die Gemengelage nicht überschaubarer.
Da darf eine Bürgerinitiative, die ganz offen nur die Interessen der Anwohner vertritt, sich geradezu frei – um nicht zu sagen vogelfrei – fühlen. Ihr Gut ist die naive Hoffnung der Argumente, und sollte sie am Ende leer ausgehen, kann sie, bei aller Ent-Täuschung, subjektiv, aber ehrlich darüber berichten. Denn sie ist nicht zum Erfolg verdammt. Nun ist der Bebauungsplan beschlossen und die Bauleitplanung damit beendet. Die Zeit, das Abschlusszeugnis auszustellen, ist gekommen.

Bei der Beurteilung unseres Erfolges oder Misserfolges möchten wir streng die 5 Punkte abarbeiten, welche wir 2016 bei unseren ersten Treffen mit Politik und Verwaltung formuliert haben.

  1. Größe des Seniorenpflegeheims reduzieren.
    Das war von Anfang an unsere Hauptforderung, daher steht sie auch an erster Stelle. Resultat: überhaupt kein Erfolg! Misserfolg auf der ganzen Linie. Statt die Größe des Pflegeheim in irgendeiner Form zu reduzieren, wurde in den Plänen des verabschiedeten Bebauungsplans die Geschossfläche des obersten Staffelgeschosses im Vergleich zu älteren Plänen sogar um 50% vergrößert und erstreckt sich noch weiter an der Front am Wingert. Das ärgert uns ganz besonders, da im Staffelgeschoss, wie erst kurz vor Schluss bekannt wurde, 13 normale Wohnungen entstehen sollen, die für das Pflegeheim überhaupt nicht nötig sind. Nun mag man einwenden, der Pflegebau wurde immerhin um 4 m weiter von der Straße zurück gesetzt, als in den ersten Planungen. Das stimmt zwar, aber wie verschwindend gering sind 4 m bei einem 61 m breiten, 13 m hohen Gebäude?
    Im Übrigen hat sich der Investor mit der Verschiebung den Bau einiger vor dem Pflegeheim liegender Stellplätze für Kurzzeitparker ermöglicht, durch welche die vom Verkehrsgutachten gemachten Vorgaben überhaupt erst erfüllt werden, siehe Punkt 2. Wir denken daher, dass das marginale Zurücksetzen des Gebäudes gar nicht so sehr ein Entgegenkommen, sondern auch notwendiger Zwang war. Wobei es die Anwohner selbstverständlich begrüßen, dass das Gebäude nun einen Hauch weiter zurück steht.
  2. Hinreichend PKW-Stellplätze auf dem Gelände. Plausibles Konzept für den fließenden Verkehr.
    Zwar sollen nun mehr Stellplätze realisiert werden, als auf den ersten Plänen von 2016 (da waren es 45). Trotzdem sind es, wenn man ehrlich rechnet, gerade mal so viele, wie es das sehr Investor-freundliche Verkehrsgutachten verlangt, welches, je nachdem, wie man die Aussagen in Verkehrsgutachten versteht, auch noch einige Stellplätze „vergisst“. Vorgerechnet und kritisiert haben wir das HIER. Daher darf man sich die Frage stellen, was die Bürgerinitiative an dieser Stelle eigentlich erreicht hat? Hätte die Stadt ohne Bürgerinitiative etwa kein Gutachten in Auftrag gegeben? Ein Konzept für den fließenden Verkehr gibt es, obwohl das Verkehrsgutachten Probleme sieht, gar nicht.
  3. Bauumfang durch Bebauungsplan lenken.
    Nachdem wir Politik und Verwaltung über die nicht nur unserer Meinung nach fragwürdige Vorgehensweise des Investors in Aldenhoven (siehe hier und hier) in Kenntnis gesetzt hatten, wurde unsere Idee, man möge dem Investor mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan enge Zügel anlegen, sehr gerne aufgegriffen.  An dieser Stelle war allerdings unser Eindruck, dass die Politik eine Blamage und Ärger wie in Aldenhoven unbedingt vermeiden wollte. Die Vorgänge in Aldenhoven waren den dürener Lokalpolitikern, mit denen wir sprachen, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt, wir mussten sie erst darüber informieren. Unser Eindruck ist, dass wir Politik und Stadt damit eher einen Gefallen getan haben, als umgekehrt.
  4. Keine Bebauung der Hintergärten.
    Dies ist der einzige Punkt, den wir als Erfolg verbuchen können. An dieser Stelle ist die Politik (nicht aber der Investor) den Anwohnern entgegen gekommen, und hat einer Erweiterung des Bebauungsplans auf benachbarte Hintergärten nicht zugestimmt. Hoffentlich bleibt es auch so, und hoffentlich wird hier, an der Politik vorbei, nicht irgendwann nach § 34 BauGB gebaut.
  5. Verursacherprinzip bei der Umlage von Erschließungskosten wahren.
    Dieser Punkt bezog sich hauptsächlich auf einen möglicherweise nötigen Ausbau der Kanalisation, da besonders die Kapazitäten des Regenwasserkanals Am Wingert bereits am Limit sind. Zu diesem Punkt teilte uns Herr Zündorf (Technischer Beigeordneter der Stadt Düren) mit, dass die Kosten für die Regenrückhaltebecken auf dem Gebiet des Investors von diesem zu tragen seien. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass öffentliche Kanäle ertüchtigt werden müssten, würde das aus einer städtischen Umlage gezahlt. Wir gehen davon aus, dass dies so richtig ist. Allerdings sind das einfach Fakten aus der städtischen Gebührenordnung, die wohl kaum als Erfolg der Bürgerinitiative zu werten sind.

Ist das nun ein Erfolg oder Misserfolg? Wir als Bürgerinitiative haben in dieses Projekt endlos viel Arbeit investiert und gute Argumente geliefert. Der „Erfolg“ ist ernüchternd klein. Welches Zeugnis würden Sie diesem politischen Prozess ausstellen? Mit Bravour bestanden, oder durchgefallen?